Fernsehen – wenn alte Spiesser zu Revolutionären werden!

Am Abend des 11. Oktober wurde im Kölner Coloneum der «Deutsche Fernsehpreis» verliehen. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sollte für seine Sendung «Das literarische Quartett», die von 1988 bis 2001 im deutschen TV lief, eine Ehrenauszeichnung bekommen. Der rüstige Herr nutzte die Gelegenheit um seiner Entrüstung Luft zu machen!

Erst scherzte der 88-Jährige noch mit seinem Laudator Thomas Gottschalk, doch dann liess er eine kleine Bombe platzen. «Ich nehme diesen Preis nicht an. Ich gehöre nicht in die Reihe dieser Preisträger. Ich habe nicht gewusst, was mich hier erwartet. Ich finde es schlimm, dass ich das hier viele Stunden ertragen musste. Diesen Blödsinn, den wir hier zu sehen bekommen haben. Wäre der Preis mit Geld verbunden, hätte ich das Geld zurückgegeben. So kann ich nur diesen Preis zurückgeben» zitiert ihn das Medienmagazin «DWDL» und machte bei den Gästen daraufhin «eine Mischung aus Belustigung und Bestürzung» aus.

Gottschalk, dem diverse Medien eine gute Figur bei der heiklen Szene bescheinigten, versuchte die Situation zu retten. «Sie haben gerade erlebt, wie aus einer Preisverleihung eine Realityshow wird», sagte der Laudator und schlug Reich-Ranicki vor, das Problem mit der Fernseh-Kultur in einer einstündigen Sendung zu diskutieren. Die Stifter des Fernsehpreises könnten ihm die Plattform bieten.

Während von ARD und ZDF Zustimmung signalisiert wurde, seien die Reaktionen bei RTL und SAT.1 ablehnend gewesen, berichtet «DWDL». RTL-Chefin Anke Schäferkordt sei von dem Auftritt des Literaturkritikers empört gewesen, während sich SAT.1-Geschäftsführer Matthias Albert freute, dass Gottschalk seinen Sender bei der Aufzählung der Fernsehpreis-Stifter vergessen hatte. Und nicht nur Programmchefs, auch Schauspieler und Moderatoren fühlten sich von den direkten Worten Reich-Ranickis angegriffen.

Fernsehentertainer Thomas Gottschalk hat Verständnis für das Verhalten des Literaturkritikers. Der Moderator der Gala nannte Reich-Ranickis Verhalten gegenüber dem Onlinedienst Bild.de «absolut nachvollziebar». «Nach einer Viertelstunde mit Richterin Salesch, zwei Köchen, denen man dumme Texte geschrieben hatte, abgehauenen Kindern in einem Realityformat und Atze Schröder in Paradeuniform musste der Mann verzweifeln.»

«Wo waren die Programmdirektoren und Intendanten in diesem Augenblick, warum kam keiner von ihnen auf die Bühne, um etwas zu sagen? Weil es verknöcherte Bürokarrieristen sind, die das Spontane längst verlernt haben, das Menschliche auch, Kultur schon sowieso», schrieb Elke Heidenreich, Moderatorin der Sendung „Lesen!“weiter. Sie schäme sich, «in so einem Sender überhaupt noch zu arbeiten». «Von mir aus schmeisst mich jetzt raus, ich bin des Kampfes eh müde», erklärte sie.

Ein ZDF-Sprecher erklärte dazu auf AP-Nachfrage, der Sender habe die Kritik zur Kenntnis genommen. Über die Zukunft der Sendung «Lesen!» sei man ohnehin seit einiger Zeit im Gespräch.

Ich bedanke mich bei Herrn Reich-Ranicki für sein Engagement, auch man ihm Kleinkariertheit vorwerfen darf. Ich bedanke mich aber bei ihm allem voran, weil er wenigstens die Schweissdrüsen bei einigen dieser Selbstgefälligen Produzenten wieder aktiviert. Ausserdem war es ein „heidenspass“ das Schauspiel als Zuschauer mitzuerleben, bzw. für einen kurzen Moment keine Inszenierung auf dem Bildschirm zu sehen!

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