Freitagsambivalenzen

Jeder Wochentag hat seinen eigenen unverwechselbaren Charakter. Und obwohl jeder Mensch jeden Tag individuell betrachtet, existiert doch ein gewisser Grundkanon.

Während der Montag global, weltweit und absolut international als der wohl unangenehmste Tag der Woche empfunden wird, glänzt der Freitag wie eine glorreiche Verheißung am Firma-ment des tristen Arbeitsalltags.

Aber ist das wirklich fair?

Natürlich stimme ich überein mit der Aussage, dass der Montag ein beinharter Hund ist; nach einem durchgefeierten Wochenende wieder in den Arbeitstrott einzusteigen hat schon manchen in die nächste Kaffeepause getrieben! Aber hat sich der Freitag sein Image wirklich verdient?

Ich seh das so: man freut sich 4 volle Tage ohne Unterbruch und mit einer sich steigernden Erwartungshaltung auf den Freitag, weil es der Tag sein wird, an dem man seinen Arbeitsplatz für zwei sinnerfüllte Tage des Glücks und der Freiheit verlässt und dabei insgeheim hofft dass der ganze Laden übers Wochenende bis auf die Grundmauern abfackelt.

Nachdem also vier Tage lang auf intensivste Art und Weise die Vorfreude auf den (wohlverdienten oder auch nicht; wen kümmerts?) Freitagabend-Feierabend zelebriert wurde und man min-destens 10% seiner Arbeitszeit damit zugebracht hat das kommende Wochenende akribisch exakt zu (ver)planen, ist es dann schliesslich soweit und man legt sich Donnerstagsabend ent-spannt und frohen Mutes zu Bett.

Dann klingelt der Wecker. Wie an allen Tagen zuvor. Der Zauber der Vorfeude ist mit einem Mal verschwunden und plötzlich sieht man vor sich nur noch sich häufende Arbeitsstunden hinter denen ein Freitagabend in weite Ferne gerückt ist. Man denkt sich dann in der Regel: Ach komm schon, die paar Stunden kriegst du doch locker gebacken! Du hast doch schon die ganze Woche überstanden. Willst du etwa, so kurz vor dem Ziel, kapitulieren?

Also hält man eisern fest an dem verschwinden kleinen Fetzen Selbstdisziplin, der einem noch geblieben ist und zwingt sich zur Arbeit. Man trifft sich am Arbeitsplatz, tauscht Smalltalk aus, einigt sich darauf dass es endlich Freitag ist und dass es wieder eine besonders harte Woche war, wenn nicht sogar die härteste! Und darauf folgen eeeeendlos eeeewig uneeeeendlich lan-ge Stunden in denen man sich seiner Arbeit oder einer Alibi-Tätigkeit widmet und in einem indi-viduellen Intervall die Uhrzeit mit einem gekonnten Blick zur Seite im Auge behält.

Ich denke es gab schon Leute die gestorben sind während sie auf den Freitagabend warteten. Je später die Stunde, je näher der Moment des Feierabends rückt, umso verzweifelter wird man. Schliesslich starrt man, ohne auch nur im Geringsten begreifen zu können wie man es bloss wieder geschafft hatte diese zerreissende Ungeduld zu ertragen, auf die Uhr und wartet elende letzte Minuten ab, bis man ins Wochenende düsen darf.

Der Blutdruck steigt, die Hände tippen nervös, Jacken sind gepackt, Taschen angezogen; dann ist es soweit: Feierabend. Verzweiflung, Leid und Zorn sind vergessen. Sei es eine laufende Scheidung, ein hängiges Verfahren, eine Betreibung oder die Beule am Auto: im nullkomma-nichts werden all diese Unannehmlichkeiten (inklusive allem was mit der Arbeit zu tun hat) einfach von der Tafel gewischt; selten war einem die globale Klima-Erwärmung oder der Ölpreis so scheissegal wie in den ersten Minuten des Feierabends; man wähnt sich in Eigenlob, ist stolz auf sich und macht Platz im Kopf für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens; es scheint als sei jede Tür offen, unser Handlungsspielraum scheint für einen Bruchteil unseres Lebens schier grenzenlos.

Das ist der Freitag: eine Kneippkur der Gefühle. Während man kurz zuvor bis zum Hals im dampfend heissen Saft des Wahnsinns steckt, erfordert es letzten Endes bloss das Vorankom-men eines Zeigers um ganze 6 Grad im Uhrzeigersinn und urplötzlich befindet man sich in der blauen Lagune.

Wollen wir doch mal ehrlich sein: all diese pseudospannenden Studien die einem unter die Na-se reiben dass nur Menschen mit genügend Orgasmen oder genügend Gemüse produktiv und glücklich sein können werden in den Schatten gestellt von der sich allwöchentlich wiederholen-den Tatsache, dass tausende (ach was erzähl ich! millionen! milliarden!) Menschen mit einem Grinsen auf ihren Gesichtern ihre Arbeitsplätze verlassen.

Hat der Freitag sich also seine Vormachtsstellung gegenüber allen anderen Arbeitstagen wirk-lich verdient? Ja auf jeden Fall, auch wenn die letzten Stunden hart sind. Ich möchte hier aber auch kurz all jenen mein Beileid aussprechen, welche über den Freitag hinaus arbeiten müssen… und ich möchte ihnen Folgendes mitteilen: ihr tut mir echt leid.

In diesem Sinne: TGIF! und Ich wünsche euch allen ein wirklich geiles Wochenende !

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