film(tipp): Good Copy Bad Copy

Unter dem Titel „Good Copy Bad Copy“ haben die drei Dänen Andreas Johnsen, Ralf Christensen, und Henrik Moltke 2007 eine Dokumentation gedreht, die den weltweit eskalierenden Konflikt von Verwertungsrechten und Kultur beleuchtet. Internet, p2p-Netze, Filesharing und die Tatsache, dass jeder künstlerisch begabte Mensch mit einem Computer sein eigenes Musik- oder Filmstudio besitzt, stellen die etablierten Medienkonzerne vor eine Herausforderung. Lobbyisten kämpfen weltweit für teils drakonische Strafen gegen „Internetpiraten“, während die Piraten von The Pirate Bay an ihnen verdienen – und in Schweden dank entsprechender Gesetzgebung so gut wie unangreifbar sind.

Lawrence Lessig

In der einstündigen Dokumentation kommen Copyright-Anwälte, Produzenten, Künstler, Mitglieder der schwedischen Piratenpartei, Mitglieder von The Pirate Bay, Vertreter von IFPI und MPAA, Lawrence Lessig und viele andere zur Sprache.

Diese Auswahl zeigt bereits, dass die Dänen ihr zentrales Thema, die Balance zwischen den Interessen der Rechtewerte und einer kultuerellen Weiterentwicklung, gründlich beleuchtet haben. Sehr wichtig ist ihnen vor allem, dass durch geistige Eigentumsrecht die kulturelle Weiterentwicklung nicht behindert werden darf.

DJ Danger Mouse
DJ Danger Mouse

Girl Talk und DJ Danger Mouse sind zwei der interviewten Künstler. Beide sind sich im klaren darüber, dass ihre Kunst gegen geltendes Recht verstösst, aber dies nehmen sie in Kauf. DJ Danger Mouse wurde dadurch berühmt, dass er das „Black Album“ des Rappers Jay-Z mit Instrumentalspuren vom „White Album“ der Beatles mixte. Dieses stellte er unter anderem auf seiner Webseite zum kostenlosen Download zur Verfügung. Nachdem er von EMI deshalb abgemahnt wurde, wurde das Album in einem Akt zivilen Ungehorsams innerhalb kürzester Zeit auf über 170 Webseiten angeboten.
Girl Talk ist zur Zeit in den USA extrem populär. Er nimmt Musikstücke, zerlegt sie am PC in kleinste Samples und setzt diese komplett anders wieder zusammen. Über 20 verschiedene Stücke in einem Vier-Minuten-Track sind bei ihm keine Seltenheit.

Weitere Stationen des Films sind Schweden, Russland, Nigeria und Brazilien.

In Brazilien boomt seit einigen Jahren Tecno Brega (oft auch Arrocha genannt) stark. Hier wird, wie es auch Girl Talk macht, populäre Musikstücke neu arrangiert. Die Künstler stellen ihre CDs dann Straßenhändlern zur Verfügung, die sie dann kopieren und verkaufen. Ihr Einkommen erhalten die Musiker dann rein durch Live-Auftritte.

In Nigeria etablierte sich die weltweit größte Filmindustrie. Weit über 1.000 Filme werden dort jedes Jahr produziert mit Budgets, selten über 10.000 Euro. Diese werden dann auf den lokalen Märkten verkauft, neben illegalen Kopien von Hollywood-Filmen

Dan Glickman, MPAA
Dan Glickman, MPAA

Christian: Hi, wie seid ihr auf die Idee gekommen, eine Dokumentation über den aktuellen Zustand von „Copyright und Kultur“ zu erstellen?

Ralf: Wir sind der Meinung, dass die Konfrontation zwischen Rechteinhabern und Piraten eine kritische Masse erreicht hat. Die Debatte braucht mehr Nuancen und mehr Stimmen – vor allem aus der „dritten Welt“.

Christian: Wurdet ihr von irgendjemandem dafür bezahlt, den Film zu drehen? Ihr seid um ihn zu erstellen dann um die halbe Welt gereist, war das nicht ziemlich teuer?

Ralf: Wir bekamen vom staatliche dänischen Fernsehen Geld dafür, aber das war nicht viel. Wir haben die Reisen so billig wie möglich durchgezogen und haben auf vielen Couches geschlafen.

Christian: Apropos. Auf eurer Webseite steht, dass die Doku bisher nur in Dänemark ausgestrahlt wurde. Laut Wikipedia auch in Schweden. Was stimmt?

Ralf: Sie wurde in Dänemark, Schweden und Finnlaand ausgetrahlt. In Deutschland wurde sie von einer Regierungsorganisation veröffentlicht.

Christian: Habt ihr euer eingesetztes Kapital wieder rausgeholt? Und habt ihr mit mehr Interesse an eurem Projekt gerechnet?

Ralf: Nein, weniger! Es war ziemlich überwältigend. Über die Verkäufe konnten wir unsere Investitionen wieder reinholen, aber mehr noch nicht.

Christian: Habt ihr euren Film nur unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht, weil er bei The Pirate Bay aufgetaucht ist?

Ralf: Ja. Wir haben in schließlich selber dort eingestellt, nachdem er im dänischen Fernsehen ausgetrahlt wurde. Uns gehören alle Rechte an dem Film, also konnten wir das ohne rechtlichen Ärger machen. Halleluja.

Christian: Wie schaut’s mit neuen Kunstformen wie Tecno Brega – oder gereneller – Mashups aus? Im Grunde genommen scheren sich die Macher dieser Kunst um keinerleu Urheber- und Verwertungsrechte. Wie sollen Kreative damit umgehen? Die Creative Commons kann diesen „Problem“ ja nicht lösen, da sie ebenfalls ignoriert wird.

Künstler müssen damit leben, dass ihre Werke interpretiert werden

Prof. Ronaldo Lemos
Prof. Ronaldo Lemos, Brasilien

Ralf: Irgendwie ist es Aufgabe der Gesetzgebung, die Gesetze zu ändern und flexibler zu machen, denke ich. Es ist lächerlich dass jemand denkt, er würde seine Musik noch in irgendeiner Weise besitzen, so dass sie nicht benutzt und weitergegeben werden kann. Die Musikgeschichte lebt davon. Bach, Beethoven, Blues, Folk sind voll von Beispielen dafür. Aber jetzt ist die Sampling-Technologie hier und du kannst sowas zielgenauer machen. Ich denke nicht, dass man seinen Hit komplett aus der Musik anderer zusammensetzen können sollte – aber wir haben Gerichte um über so etwas zu entscheiden. Ich denke, man sollte jeden Teil, den man haben möchte, nehmen dürfen ohne zu fragen – und ohne im Voraus dafur zu zählen – und dann einen Anteil dem anderen Künstler zukommen lassen. So bekommen alle ihren Anteil – und wenn der ursprüngliche Künstler das nicht möchte, dann kann das Angebot abgelehnt werden oder es wird vor Gericht gegangen. (Bitte belastet unser Justiz-System nicht mit Fällen wie dem NWA-Fall in der Doku!).
So hätten wir eine diplomatische Lösung, die aber nur eintreten kann, wenn Gesetze geändert werden. So wie es ist denke ich, Kreative sollten im Hinterkopf behalten, dass ihre Musik immer wieder neu interpretiert wird – und dass dies ihrer Karriere helfen könnte. James Browns Karriere wurde durch HipHop-Samples wiederbelebt, die Beatles wurden in die HipHop-Generation durch das Grey-Album eingeführt. So wie es jetzt ist, hängt es von Fall zu Fall ab: Wenn z.B. Timbabaland offenkundig das Haupt-Riff für einen Hit von einem finnischen Kerl klaut finde ich, er sollte ihm etwas Geld abgeben – oder ihn zumindest als Urheber erwähnen!

Christian: Gibt es auch eine Version ohne Untertitel, so dass man welche in seiner eigenen Sprache darunter setzen könnte?

Ralf: Ja. Irgendwo auf einer Festplatte. 🙂

Christian: Letzte Frage: Was würdest du machen, wenn jemand dir erzählt, dass euer Film illegal in Russland, Nigeria oder China illegal verkauft wird. Würdest du dich betrogen fühlen?

Ralf: Betrogen ist ein zu hartes Word. Genau das passiert sicherlich irgendwo. Aber nein, ich denke nicht, dass es fair ist, dass jemand Geld mit der Arbeit anderer macht, ohne sie dafür zu entlohnen. Aber fühlt euch frei, die Doku kostenlos zu vertreiben!

Download

Wer jetzt neugierig geworden ist, kann sich den Film über BitTorrent runterladen. Hier der Link zum Torrent. Auf der Webseite des Projekts goodcopybadcopy.net kann der Film auch per Flash angeschaut werden.

Die „deutsche Regierungsorganisation“ ist die Bundeszentrale für politische Bildung. Auf ihrer Webseite kann der Film für 6€ plus 4,60€ Versandkosten bestellt werden.

Alle Bilder stammen von www.goodcopybadcopy.net

musikpirat http://musik.klarmachen-zum-aendern.de

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