Mario Güdel und das Wallis – ein Satire-Sonderfall?

Guten Morgen geneigte Leser und Leserinnen
Heute morgen habe ich – wie gewöhnlich – die Topnews von 20min.ch durchgelesen und bin dabei auf einen Artikel gestossen, der mich besonders interessiert hat, da es um das Wallis ging. Ich fand den Artikel wenig aufwühlend, doch die anschliessenden Kommentare der User haben mich dann tatsächlich wachgerüttelt… Im Allgemeinen geht es in besagtem Artikel darum, dass Herr Güdel Mario, seines Zeichens Journalist beim „Beobachter“, (einer „äusserst renommierten“ schweizer Zeitschrift in welcher sogar ich es bereits unter dem Begriff „Freundin die den Sohn hörig macht“ Erwähnung gefunden habe weil die damalige Mutter meines Freundes Abnabelungsschwierigkeiten hatte), einen satirischen Text verfasst hatte indem er darauf hinwies, dass es wirtschaftlich für die Schweiz besser wäre, wenn man das Tessin und das Wallis abstossen würde.

Die Folge war, dass der „Walliser Bote“ (seines Zeichens Inhaber es Zeitungs-Monopols im Wallis) sowie über Tausend walliser Facebookler empört ihrer Wut luft machten. Herr Güdel versuchte sich zwar zu entschuldigen, doch erst als der Chefredakteur Andres Büchi sich einschaltete, konnten die Gemüter nun allmählich beruhigt werden.

Ich selber habe trotz meines Walliserdaseins genau gar nichts von diesem Skandal mitgekriegt da ich Zeitungen mit einer Monopolstellung (wie den Walliser Boten) bereits prinzipiell meide und den Beobachter seit meiner Arbeitszeit in einer Bibliothek als zweitklassige Kopie des deutschen Focus verstehe.

Als ich also den Fall heute morgen also erstmals aufgerollt bekam habe ich mir den Satirischen Text von Herrn Güdel zu Gemüte geführt: Link zum Text .

Dazu erstmal wie so oft und ungefragt mein persönlicher Kommentar: Der Text beeindruckt durch wenig Witz und vorhersehbare Rückschlüsse, ein richtiges Schmunzeln kommt mir auch dann nicht über die Lippen wenn es nur um das Tessin ginge, da ich prinzipiell die Ansicht vertrete dass Zusammenarbeit und nicht Aufspaltung die Lösung für Probleme ist.

Satire soll ja oft einen wahren Kern beinhalten und hin und wieder auch Missstände andeuten; jedoch: sowohl der Langensee als auch das Matterhorn sind feste wirtschaftliche Stützpfeiler der ganzen Schweiz welche beispielsweise dem Zürcher Flughafen sicher auch viel Geld in die Tasche spielen. Grundsätzlich kann ich diesen Text somit als wenig satirisch empfinden da der wahre Kern für mich im Grunde genommen ausbleibt und viel Witz nicht zu finden ist.

Auch dass eine Abstossung von Kantonen wirtschaftlich sein soll halte ich für äusserst unbegründet, da meiner Ansicht nach bereits die Tatsache dass Fortpflanzung bzw. Evolution und somit Entwicklung sehr oft nur über Vereinigung und somit Zusammenarbeit möglich sind. Dies mag manchmal wenig „ökonomisch“ wirken, ist aber nach wie vor die Basis allen Fortbestehens.

Natürlich kann man den Tabubruch (holy shit, das Wallis und das Tessin; prestigeträchtig aber unwirtschaftlich) an sich, das Szenario als witzig empfinden, im Grunde genommen als dadaistischen Vorstoss; so ähnlich wie die Überschriften des Titelblatts vom Blick.Und stellt euch vor, nun huscht sogar mir ein Grinsen übers Gesicht! Meiner Ansicht nach wäre dieser Artikel tatsächlich einer Antwort keineswegs würdig gewesen da er qualitativ, informativ und vom Unterhaltenswert her einfach zu irrelevant ist.

Umso lächerlicher wirkt die Antwort des Walliser Boten auf mich, der die Klischees um die Walliser noch eine Bestätigung nachliefert indem eine wenig ausgereifte, einem Bubenstreit gleichkommende, bar jeder Eloquenz glänzende Antwort auf den Text veröffentlichte. Hier schon mal ein herzliches Dankenschön an die Redaktion des WB für diese Öffentlichkeitsarbeit! (Satire, s.v.p.)

Und was Facebookler betrifft, die sich zusammenfinden um Hass und Beleidigtsein zum Ausdruck zu bringen um sich auf eine einzelne Person zu stürzen: lächerlich! Was soll damit denn bezweckt werden? Hassgruppen auf Facebook sind die Pickel des Social Networkings und bilden somit eigentlich das asocial Networking. Facebook wurde gegründet um Kontakte zu pflegen. Dass die Möglichkeiten missbraucht werden um im Schutze der Anonymität regelrechte Volksverhetzungen zu starten, zeugt von wenig Weitsicht, Begriffsstutzigkeit („social“ Networking) und Intoleranz und bestätigt wie so oft die allgemein verbreitete negative Meinung, dass das Internet mehr Schlechtes als Gutes im Menschen zu Tage fördert. Kurz und gut: Schade.

Weder satirisch gemeinte Texte welche in den falschen Hals geraten als auch Hassgruppen auf Facebook sind nichts Ungekanntes und somit hat mich der 20min-Artikel bis zu seinem Ende nicht vermocht aus dem Morgentaumel zu reissen. Die anschliessenden Kommentare der 20min.ch-User vollbrachte dieses Kunststück allerdings.

Auf den Artikel folgend äusserten sich viele User, so wurden die Walliser im Anschluss an den Text mannigfaltig an den Pranger gestellt, hier ein paar Auszüge:

„ich kanns bald nicht mehr hören ,und wir haben den besten Wein ,die schönsten Berge ,die besten Skifahrer das ich nicht lache und den dümmsten Dialekt“

„Ist sowieso ein Entwicklungskanton!“

„wenigstens haben wir jemanden der das geld verbrennt.“

„schade dass die walliser immer sofort mit gewalt drohen. rückständig, ungebildet, inzucht.“

„Eine stockkonservative Einstellung lässt leider keinen Platz für satirisches denken.“

„Die Walliser versteht eh niemand,und Tessiner sind faul und nur am Jammern. “

„Zuweilen sind sie halt auch noch betrunken und handeln unüberlegt.“

„vielleicht verstehen die Walliser mit ihrem Deutsch das Wort „Satire“ nicht. “

„Ich musste einige Jahre Kundendienst mache. Grauenhaft. Misstrauische, unfreundliche Hinterweltler.“

Persönlich nehmen konnte ich schon den Artikel von Güdel nicht, die Reaktionen des WB und der Leute im Facebook finde ich ebenfalls bedenklich und lächerlich, aber die Kommentare einiger User empfand ich schon als sehr fragwürdig.

Sicher haben die Facebookler und der WB nun dazu beigetragen viele Klischees zu bestätigen welche jetzt von einigen Ausserwallisern unbedarft über den ganzen Kanton gestülpt werden. Hierfür schon mal mein herzlichstes Dankeschön!

Leider gehen in diesem Trubel die vielen Menschen unter, welche tatsächlich über den Dingen stehen konnten und achselzuckend ihrer Wege gingen. Die lautesten Schreihälse haben eben nicht immer recht…

Schade dass sich die Kantone gegenseitig so dermassen mit Klischees bewerfen dass sie sie dadurch sogar noch bestätigen. Die echte Satire spielt sich somit meiner Ansicht nach auf dem Kommentar-Board von 20min.ch ab 🙂

Nun ja, der Sturm wird sicher vorüber ziehen, doch die sozialen Gräben zwischen den Kantonen werden wieder ein paar Zentimeter tiefer gegraben sein. Ob es die Sache wert war? Kann ich mir nicht vorstellen.

Etwas mehr Weitsicht, Pazifismus und realitische ökonomische Betrachtung, etwas mehr Zusammenhalt und Verständnis wären sicher nicht fehl am Platz gewesen; auf beiden Seiten.

Die Urväter unseres Landes würden sich im Grab umdrehen wenn sie wüssten dass sich ihre Nachkommen in so lächerlichen Kleinkriegen gegenseitig mit Scheisse bewerfen statt ihre Zeit dem Wachstum, Gedeihen und der Zusammenarbeit zu widmen.

Auch hier geht es mir wenig um Patriotismus, sondern viel mehr darum, dass die Lösung unserer Probleme sicher nicht in der Aufspaltung zu finden sind, denn der Kern eine der grössten Gefahren welche die heutige Menschheit bedrohen ist mit sicherheit die Intoleranz. Und wer diese unterstützt, kann meiner Ansicht nach nur auf dem Holzweg sein.

Ob Intoleranz nun in Form eines unbedarften satirisch gemeinten Artikels mit fehlerhaften Fakten (Walliserdeutsch ist eine Höchstallemannische Sprache, von den Wirtschaftlichen Fakten mal abgesehen , die Summe der Subventionen alleine ist mit Sicherheit nur die eine Seite der Medaille), einer patzigen Antwort ohne jede Weitsicht, dem Zusammenschluss zu einer Gruppe mit dem Ziel, dem eigenen Hass Ausdruck zu verleihen statt etwas Toleranz zu zeigen, oder dem anschliessenden Umherwerfen mit Klischees zum Ausdruck kommt; ganz egal: die Zeit hätte man mit Sicherheit sinvoller einsetzen können.

Somit wünsche ich allen – ob Walliser, Schweizer, Europäer, Erdenbürger oder Masmännchen – eine gute Zeit und die Weitsicht, diese Zeit nicht im Kühlschrank sauer werden zu lassen!

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