Zum Internationalen Tag der Menschenrechte

Am 10. Dezember feiern wir die Erklärung der Menschenrechte. Klingen tut das Ganze wie das Feiern irgendeines Paragraphen in irgendeinem verstaubten Gesetzbuch, doch die Erklärung der Menschenrechte ist viel mehr als nur eine Fussnote in der menschlichen Geschichte, bedeutungsvoller als jeder politische Pakt und wertstiftender als die Bibel.


Es gilt das sinnfreie Feiertagsdekret


Immer noch ein Schattendasein

Während unzählige Stunden in unseren Schulen dafür verbraten werden, die Bibel zu erarbeiten, ist die Erklärung der Menschenrechte mit etwas Glück eine Schulstunde in der gymnasialen Stufe wert – zumindest im Kanton Wallis und zu meiner Zeit. Sicher ist es aber immer noch so, dass die Erklärung der Menschenrechte nach wie vor stiefmütterlich behandelt werden, und dass obwohl unser reales Wertesystem auf diesem Fundament fusst. Die Zehn Gebote sind Pflichtprogramm, aber die Menschenrechte sind ein Nice-to-Have? Dieser Missstand darf aufgearbeitet werden!

Gemeinsam im Hier und Jetzt

Wir haben mit den Menschenrechten ein Instrument, um unserer Spezies in die Zukunft zu lenken, geschaffen. Wir haben damit Leitlinien geschaffen, innerhalb derer das Menschsein nicht nur erlaubt sondern erwünscht ist. Während die Bibel uns mit Hölle und Verdammnis in einem Leben im Jenseits droht, sind die Menschenrechte dem Diesseits verschrieben und versprechen weder Erlösung noch ein ewiges Leben. Sie stehen aber für den Willen zum Frieden im Hier und Jetzt.

Während die Bibel höchstens im Groben ein Zeugnis ihrer Zeit ist, verfasst von (männlichen) Autoren um ihre eigene wirtschaftliche Privilegien zu zementieren, stellen die Menschenrechte eine echte Errungenschaft unserer Spezies dar: Sie sind das Produkt eines demokratischen Selbstverständnisses und einem unbändigen Wunsch nach Frieden, wie er nur nach zwei Weltkriegen in den Herzen der Menschen brennen kann.

Der Zahn der Zeit

Der Schutz der Unschuld, die Verteidigung der Solidarität und das Erkennen von Unmenschlichkeit wurde durch die Erklärung der Menschenrechte erst möglich. Wir haben also allen Grund zum Feiern! Die Menschheit hat es geschafft, die Helix für unsere soziale DNA zu formulieren:

Die Formulierung des Offensichtlichen, die Verschriftlichung dessen, was wir allgemein als Menschlichkeit betrachten, ist ein Meilenstein in unserer Geschichte gewesen. Wir erkennen dies immer erst dann, wenn wir erleben wie Menschenrechte missachtet werden. Und oft diktieren ausgerechnet kulturelle Traditionen Handlungen, welche diese Rechte verletzen: Mit jedem Jahr werden Traditionen wie zum Beispiel das barbarische Beschneiden von Mädchen, Zwangsheiraten und Ähnliches stärker dem Druck der Menschenrechte ausgesetzt: ihre Zukunft ist – wie diejenigen von institutionalisierten Religionen – zwangsläufig begrenzt denn sie führen dazu, dass sich Menschen schlecht fühlen. Schmerzen sind Ausdruck des inneren Widerstandes und der Antrieb des Wandels. Die Menschenrechte lösen uns von der Barbarei unserer Vergangenheit, auch wenn sie sich im Kleid der Tradition noch so attraktiv präsentiert.

Die Erklärung der Menschenrechte nur an einem Tag des Jahres zu feiern, ist im Grunde genommen ein Affront: an jedem Tag unseres Lebens dürfen wir dankbar sein, dass es diese Rechte gibt.

Die „Sakralität der Person“: Ein Gespräch mit Hans Joas

Ausführliches Deutschlandfunk-Interview mit dem Soziologen Hans Joas über sein jüngstes Buch. Gesendet am 23. und 24. April 2012 MP3 Audio Datei 16.1 MB Download


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