Religiöser Territorialkrieg im Wallis

Die Walliser Gemeinde Stalden macht zur Zeit Schlagzeilen, weil sie einen atheistischen Lehrer fristlos gekündigt hat, der die Entfernung von Kreuzen/Kruzifixen aus seinen Arbeitsräumen verlangt hat. Bereits vor über einem Jahr hat er das Kreuz aus einem eigenen Klassenzimmer entfernt, und dies wurde toleriert und hat – geradezu auf wundersame Weise – keine Erdbeben oder andere Formen „Gottes Zorns“ zu Tage gefördert…

Die Forderung, die Kreuze/Kruzifixe aus allen Arbeitsräumen in denen der Lehrer (welcher auch der Präsident der Walliser Sektion der Freidenker ist) ebenfalls tätig ist zu entfernen, wurde kurzerhand vom Gemeindepräsidenten und CVP-Mitglied Egon Furrer sogleich vor dem Staatsrat des Kantons thematisiert (obschon es eindeutige Gerichtsentscheide diesbezüglich gibt) und auch medienwirksam via Lokalsender Kanal9 und RRO kommuniziert; es handelte sich um genau zu sein um exakt 2 weitere Kreuze die abgehängt hätten werden sollen.

Die Folgen:

  • Der Staatsrat Claude Roch antwortete lapidar, der Lehrer habe sich an das Schulgesetz zu halten, wonach er dazu verpflichtet ist, seine SchülerInnen auf ihr Leben „als Christen“ vorzubereiten. Dass dieses kantonale „Gesetz über das Unterrichtswesen“ ganz grundsätzlich der Bundesverfassung widerspricht, wurde dabei nicht behandelt.
  • Die Bevölkerung des Oberwallis hat sich massiv über „diese Frechheit“ dieses „sogenannten“ Freidenkers echauffiert, und konnte nicht verstehen warum „immer das Christentum Platz für die Minderheiten machen muss„. Intoleranz wurde ihm vorgeworfen, Respektlosigkeit gegenüber der „Tradition„. Morddrohungen auf seiner Combox und anonyme Briefe an den Vorstand der Freidenker Sektion Wallis in denene Szenarien von „beschnittenen Frauen und überall nur noch Minarette“ beschrieben werden runden den Kanon der Religiotie ab. Dem gegenüber sah sich eine äusserst kleine Anzahl von Personen, welche sich für den Lehrer eingesetzt hat, was von viel Courage zeugt in Anbetracht der Umstände.

Folgendes wird bei der Betrachtung der Rückmeldungen deutlich:

Der Hauptgrund, warum das Kreuz zu hängen hat ist „Tradition“

Selbst der Bischof  fand keinen besseren Grund als die Angst seine Schäfchen könnten vergessen woran sie glauben wenn keine Kreuze hängen. Dass er damit so ziemlich die gesamte Glaubensgemeinschaft für dumm bezeichnet, wird bei all der Religiosität gar nicht wahrgenommen – selektive Wahrnehmung.

Dass das Beschneiden von Frauen, Stierkämpfe und andere unmenschliche Handlungen auch aufgrund von „Tradition“ aufrecht erhalten werden, sollte zwar ein Indiz dafür sein, dass Tradition alleine kein Grund sein kann um eine Handlungsweise zu rechtfertigen, aber hier im Wallis reicht das wohl noch.

„Wem es hier nicht passt, der soll doch gehen“

Kein Satz wurde in dieser Debatte öfter ausgesprochen als „Wenn es ihm hier nicht passt, soll er doch gehen“. Kein Zitat fasst die Walliser Einstellung zu sämtlichen gesellschaftlichen Veränderungen akkurater zusammen:

  • Wenn ein Lehrer die religiöse Neutralität der Schule zumindest im Bereich seiner Arbeitsräume  herstellen möchte, dann soll er doch dorthin gehen wo Neutralität herrscht.
  • Wenn es dem Wolf im Wallis nicht passt, soll er doch gehen. Und wenn es ihm passt, dann wird solange auf ihn geschossen bis es ihm nicht mehr passt.
  • Wenn es Homosexuellen nicht passt dass man sie sozial ausgrenzt, dann sollen sie doch wegziehen. Der Grund warum der Verein „Anners Oberwallis“ eingegangen ist, war tatsächlich der dass sämtliche Mitglieder aus dem Wallis gezogen sind.

Gleichzeitig beklagt sich das Wallis über den sogenannten „Braindrain“, dass alle AkademikerInnen aus dem Wallis nach dem Studium nicht mehr zurückkehren um die Heimat „zu erhalten“.  Dass viele AkaemikerInnen keine Interesse daran haben, das Wallis so wie es ist „zu erhalten“, ist vielen unverständlich. Aber eben: Wem es nicht passt, der soll doch gehen.

Bigotterie

Kein Wunder kommt den WalliserInnen da das Schulgesetzes der LehrerInnen, dass man die Kinder zu Christen erziehen soll, gerade recht. Schliesslich wollen sie ja auch gar keine Lehrpersonen welche buddhistisch, muslimisch oder sonstwie „unkatholisch“ sind. Und sie wollen auch keine Kinder welche nicht christlich sind auf „ihrem Territorium“ welches eben „katholisch zu sein hat“. AusländerInnen werden auch nur dann toleriert wenn es um Handlangerjobs wie Wimden, Heuen oder Putzen oder um den Ausgleich des Fachrkräftemangels als Folge des Braindrain geht.

Faule Christen

Wenn gläubige Eltern ein so grosses Problem damit haben, dass der öffentliche Bildungsapparat konfessionsneutral wird, dann frage ich mich ja schon, ob sie möglicherweise selber zu faul sind um diese Aufgabe zu übernehmen. Die gesamte „religiöse Gehirnwäsche“ ist nämlich auf den öffentlichen Erziehungsapparat abgewälzt: die Kinder gehen in der Schule zur Kirche, erhalten via Schule ihre erste Kommunion, Firmung, Bibelunterricht, Religionsunterricht. Ausser der Taufe haben die Eltern also einen recht bequemen Job was die Religiöse Bildung ihrer Kinder betrifft. Wahrscheinlich kotzt es sie ja selber an sich am Sonntagmorgen aufzubretzeln um auf dem Kirchplatz Frömmigkeit vorzugaukeln?

Gegenwind

Der Lehrer Valentin Abgottspon hat nicht vor, „dorthin zu gehen wo es ihm passt“ (so wie alle anderen welche den Kampf gegen die Engstirnigkeit aufgeben und das Wallis verlassen), sondern es gefällt ihm hier und er hat nicht vor, die schöne Umgebung des Kantones den Händen von konservativen Traditionalisten zu überlassen. Und er ist nicht alleine. Und wenn das den WalliserInnen nicht passt, dann sollen sie doch gehen 🙂

0 Gedanken zu “Religiöser Territorialkrieg im Wallis

  1. Hinter dem Symbol „Kreuz“ verbirgt sich das ganze System der katholischen Erziehung. Das Kreuz weiter ins Klassenzimmer zu wollen bedeutet „Wir, als Erwachsene, möchten weiter die Macht haben, unsere Kinder mit den altbewährten Mitteln der durch die Tradition vermittelte Technik der Erpressung zu erhiehen“. Die Erpressung ist die Grundlage einer religiösen Erziehung. Während der ersten Jahren, wird in jeder Familie das Kind erpresst mit solchen Drohungen wie z.B : „Willst du später Staub werden?“. Es genügt, dass ein Kind sie ein einziges Mal hört : die anderen unzähligen sozio-kulturellen religiösen Signale bestätigen nur diese Erpressung. Das Ergebnis : eine Angst wird sehr früh im Gehirn des Kindes eingeplanzt und diese Angst wird dann ausgenutzt, um gerade die massgeschneiderte Lösung der Kirche anbieten zu können. Valentin Abgottspon muss unterstützt werden und nicht allein bleiben bei seiner mutigen Forderung. Er kämpft für die Kinder. Die Kirche arbeitet gegen die Kinder. Es geht auch darum, endlich den Hintergrund aller verwendeten Begriffe an den Tag zu bringen. Tradition? OK. Dann sollte man die Frage der unbewussten vermittelten Bestandteile dieser Tradition analysieren, und besprechen können. Die indoktrinierten Leuten sprechen das Wort „Tradition“ und wissen nicht wovon sie sprechen! Der sexuelle Missbrauch der Kinder durch die Kirche gehört zu der Tradition, das heisst wurde nicht bewusst von Generation zu Generation vermittelt worden, sondern unbewusst, wie alle sog. „harmlosen“ Schläge und Demütigungen der Kinder. Das Christentum ist bei uns eine Tradition? Die Leute, die das sagen, hören aber auf weiter zu sprechen, nämlich über den Inhalt dieser Tradition! Ja, der Missbrauch der Kinder gehört zu der christlichen Tradition, die Erpressung der Kinder, die Strafen, die Schlägen, die Demütigung, die Gehirnwäsche, die Desinformation, die Infantilisierung, das Einpflanzen von Schuldgefühle des eigenen Körpers gegenüber, die Abgrenzung des anderen, das Verachten der Ungläubigen, die Zensur, usw. usf, das gehört der Tradition! Aber dieser genaue Inhalt wird verschwiegen, weil hinter dem Wort „Tradition“ steht hauptsächlich diese Tabu Realität : Macht und Willkür des Erwachsenen über die Kinder. Das ist was die Leuten auf der Strasse, und die Beamten im Kopf haben wenn sie vom „Tradition“ sprechen. Dieser Kampf gegen das Kreuz hat nichts zu tun mit einem Kampf der Ideen, von Ideen sind wir leider hier noch weit entfernt, dieser Kampf ist ein Kampf gegen die blinde Willkürlichkeit, die blinde Gewalt von Erwachsenen über die Kinder. Die Kirche ist nicht nur Frauenfeindlich, sie ist Kinderfeindlich. Das Kreuz aus den Klassenzimmern entfernen heisst : den Kinder nicht mehr mit Ängste, mit Erpressung erziehen wollen. Das Kreuz in den Klassenzimmern weiter haben wollen, heisst : weiter die Kinder mit den „traditionellen Mitteln“ der Erpressung und der Gewalt erziehen wollen.

  2. Besonders der Abschnitt über „Faule Christen“ gefällt mir sehr gut. Sehr gut beobachtet und formuliert. Ich würde den Flattr-Knopf drücken. Aber ich habe da (noch?) keinen Account.

  3. Was war das wieder für eine/einer, der/die so einen komischen Artikel schrieb? Ich sage nur eines: Wallis, weiter so!! Andere Kantone: Ebenso!! Gemeinsam sind wir stark, gegen solche sogenannte „Freidenker“. 😉

  4. Sehr schön, „gemeinsam sind wir (die Gläubigen) stark“. Die Freidenker würden gerne mit allen „stark“ sein, unabhängig vom Glauben. Freut mich dass der Artikel zur Unterhaltung beigetragen hat, schade dass es nicht zum Hinterfragen gereicht hat.

  5. Dieser Text bringt auch meine Gedanken gut zum Ausdruck. Ich finde den Kommentar von Christophe Brass sehr gut! Viel zu wenig wird in der öffentlichen Diskussion auf die Kinder eingegangen. Eine Religion derart in der Schule zu bevorzugen, heisst Manipulation auf höchster Stufe!
    Das erste der zehn wichtigsten Kinderrechte von UNICEF lautet:
    Das Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung unabhängig von Rasse, Religion, Herkommen und Geschlecht.
    Die Verstrickung von Schule und christlicher Religion stellt eine Diskriminierung der Kinder dar, welche nicht katholisch sind. Das Wohl der Kinder steht für die Leute, die sich so vehement gegen die Entfernung der Kruzifixe wehren und dafür in Kauf nehmen gute Lehrer zu entlassen, bestimmt nicht im Vordergrund.
    Glücklicherweise gibt es im Wallis Leute wie Valentin Abgottspon , die Mut zeigen und derart persönliche Nachteile in Kauf nehmen, um gegen die Verstrickung von Religion und Schule vorzugehen!

  6. „Aus dem allen geht klar hervor, daß es nur einen einzigen, stets nach hierarchische Muster gebauten Typ von Autorität gibt. Sie findet ihre Rechtfertigung stets in einer Transzendenz, die als etwas dem Individuum Überlegenes angesehen wird, sei es eine religiöse (Gott) oder eine weltliche (die Gesellschaft, der zum Götzen erhobenen Staat). In Wirklichkeit ist diese angebliche Transzendenz nichts anderes als das Mittel, mit dem eine Minderheit die Legitimität ihrer Macht über die Mehrheit begründet. Und weiter: die Autorität, die täuschende Maske der Gewalt, verwirklicht sich stets auf dem Weg über eine systematische Konditionierung des Kindes, die darauf abzielt, in ihm — und im Erwachsenen, der es später sein wird — Gehorsamsreflexe gegenüber der Autorität zu erzeugen, ein Verfahren, das in seinem methodischen Details und seinem Zweck der Dressur von Tieren verwandt ist“.

    Plädoyer für die Entkolonisierung des Kindes, Soziopsychanalyse der Autorität, Gérard Mendel, Walter-Verlag Olten und Freiburg im Breisgau.

  7. Das ist doch auch nur so ein Hetzblatt.

    Der Feind von uns allen sind nicht mehr die Katholischen oder die Christen i. a. sondern die Moslems aller Versionen.

    Erst wenn Ihr die Kreuze abhängen müsst, werdet ihr aufwachen.

  8. Glauben Sie im Ernst das Kreuz wird Sie in irgendeiner Form von einem gesellschaftlichen Wandel beschützen, dem Sie nicht bereit sind mit Neutralität und Toleranz (beide Eigenschaften haben sich für die Schweiz stets ausgezahlt) zu begegnen? Denken Sie Migration würde aufhören nur weil es Ihnen nicht passt? Denken Sie, dass Sie eine Spekulation mit einer anderen Spekulation bekämpfen können?
    Wir sind im Jahr 2010 angekommen, deal with it!

  9. Der Braindrain ist eine traurige Tatsache, der Kt. VS ist zunehmend überaltert und unterbildet. Furrer, Roch etc. sorgen dafür, dass die Kinder weiterhin eine Weltanschauung aufgedrückt kriegen, welche einen unhaltbaren Absolutheitsanspruch hat, der zu Intoleranz und Selbstgerechtigkeit führt.

    Mich erstaunt immer wieder, dass selbst die Skandale um Kinderschänder-Priester und deren systematische Vertuschung durch die RKK bei der Walliser Basis keine Zweifel an der Institution hervorrufen.

    Kinder sollen Werte und Sozialkompetenz entwickeln können, sie brauchen weder religiöse noch politische Ideologien. Was würden die Christen sagen, wenn die Kinder in den öffentlichen Schulen für den Kommunismus vereinnahmt würden???

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