Morgen wird das Lausanner Bundesgericht entscheiden, ob das Verbot des Tragens eines Kopftuches für muslimische SchülerInnen legitim ist. Die Gesetzgebung wird in diesem Fall einen enorm grossen Interpretationsspielraum bieten. Für mich ist klar: diese Kinder dürfen ihre Lumpen tragen; unter anderem weil niemand damit belästigt oder beeinträchtigt wird. Es gibt bedeutend verfassungswidrigere religiöse Praktiken in der Schweiz, welche kritischer zu betrachten sind: so etwa das irreversible Entfernen von Genitalelementen von Kindern. Aber: Genauso wie man vielen Kindern ein Kruzifix um den Hals hängt oder eine Kippa aufsetzt, muss es legitim sein dass man dem Kind auch ein Kopftuch anlegt.
Aber wo ist denn nun die Grenze? Simpel wie einfach: beim Staat. Darum ist es auch richtig, dass Lehrpersonen neutral sind und in ihrem Amt als Vertretung des Staates keine religiösen Symbole tragen. Aber SchülerInnen sind keine Staatsangestellten, sie müssen den Staat nicht repräsentieren sondern nur sich selbst. Solange dies ohne Beeinträchtigung von Mitmenschen geschieht, gibt es keinen Grund dort zu intervenieren. Die Burka muss hier – als absolute Ausnahmeranderscheinung – gar nicht thematisiert werden. Das Kopftuch ermöglicht weiterhin die Idenfizierung von Personen und stört damit weder den Unterricht noch das öffentliche Leben. Selbst wenn die jungen Damen im Sommer aufgrund der Hitze unter dem Tuch förmlich zerfliessen, ist es ihr Recht das zu tun.
Die Freiwilligkeit des Tragens eines solchen Tuches durch ein religionsunmündiges Kind darf – genau wie die Freiwilligkeit des Tragens anderer konventioneller religiöser Kleidungselemente – in Frage gestellt werden, denn wie freiwillig agiert ein indoktrinierter Geist? auch wenn es Kampffeministinnen gibt, welche das Kopftuchverbot als Chance sehen um die „Gleichberechtigung“ der Frauen in muslimischem Millieu zu erzwingen, so muss dem entgegnet werden dass die Ungleichberechtigung der Frau durch die heimischen Kirchen (sowie deren staatliche Unterstützung) und somit Kruzifix-Anhänger für Mädchen wohl die erste Baustelle für diese Angstbeisserinnen sein müsste.
Es ist die Gleichbehandlung welche letzten Endes der wichtigste Schritt in Richtung Integration darstellt: ein exklusives Verbot – wie etwa das Minarettverbot – erzeugt keine integrativen Kräfte. Und auch ein Verbot zum Kopftuch erleichtert die Integration nicht im Geringsten: einzig eine oberflächliche Gleichförmigkeit würde erzeugt werden, welche die Offenheit der einheimischen Kinder und Neugier gegenüber anderen Kulturen einschlafen statt aufblühen lässt.
Ich hoffe, dass die Bundesrichter morgen anerkennen werden, dass die persönlichen Religiösen Freiheiten ausgeschöpft werden können solange sie niemanden beeinträchtigen. Ein solches Urteil muss auch zum Ausdruck bringen, dass es Sache der Gläubigen ist, ihre Religion zu leben und nicht Aufgabe des Staates; wie dies vielfach von Christen in der Schweiz gelebt wird. Eine Stärkung der Personenrechte auf dieser Ebene soll also auch die – viel gelobte aber wenig praktizierte – Trennung von Staat und Kirche in der Schweiz festigen.