Durch meine Tätigkeit als Bibliothekarin werde ich immer öfter mit dem Phänomen der E-Medien konfrontiert. Ansich ist es ja eine tolle Sache, auf Kosten für Papier, Druck und Versand zu verzichten und die Inhalte direkt in digitaler Form erhalten zu können. Aber die Verlage haben den Braten längst gerochen….
Während die Musikindustrie geradezu wie das Reh im Scheinwerferlicht vom „urplötzlich auftretenden Filesharingphänomen“ überrannt wurde, beweisen die Verleger von E-Books und E-Journals echte Voraussicht; leider nicht zu Gunsten des Kunden. Der E-Medien Markt explodierte in diesem Jahr förmlich; nicht zuletzt da jetzt endlich Geräte verfügbar sind, welche eine Mobile Verwendung ermöglichen. Dieser entscheidende Vorteil wird dem Buch nun aberkannt, im Sinne des Fortschritts, und daran gibt es nichts zu rütteln.
Doch wer nun glaubt, es würden homogene Parallelmärkte zwischen Print- und E-Medien existieren, der hat sich arg verschätzt. Tatsache ist, dass die Verlage aufgrund der „erleichterten Reproduktion“ und der „erleichterten Verbreitungsmöglichkeit“ das E-Book wie einen Schatz hüten, und mit massiven Restriktionen verhindern, dass Informationen effizient verbreitet werden können. Die Verleger bedienen sich dabei der haarsträubendsten Kontrollmechanismen: Zugang nur für bestimmte IP-Adressen, Zugang nur für eine Bestimmte Anzahl von Zugriffen, Zugang nur auf gewissen Geräten welche anhand von MAC-Adresse, Computernamen und ähmlichem identifiziert werden).
Während eine Wissenschaftliche Bibliothek in der „guten Alten Zeit“ noch ein Fachbuch anschaffen konnte und es dann an jeden beliebigen Bibliotheksbenutzer ausleihen konnte, gibt es mittlerweile E-Books welche nur für bestimmte Adobe IDs (der neueste Trend in der Digital Rights Management Strategie vieler E-Book Verleger) auf einer vordefinierten Anzahl von Endgeräten angezeigt werden können. Das ist lächerlich. Der Kunde wird massiv eingeschränkt, das Produkt gehört ihm nicht einmal wenn er es kauft.
„Früher“ konnte man ein gutes Buch noch an einen Bekannten ausleihen; das ist mittlerweile mit den wenigsten E-Medien noch möglich. Der Kunde ist nun prinzipiell ein Dieb, wer sich ein Buch ausleiht statt zu kaufen, ein Schmarotzer. Wer Bücher an andere ausleiht wird kriminalisiert. Dies führt sicher zu erhöhten Verkaufszahlen und ganz tollen Jahresergebnissen, aber es führt auch zu einem massiven Stau in den Informationskanälen.
Auch hier zeichnet sich ab, was längst klar ist: Bildung, Wissen, Information sollten keine Wirtschaftsgüter sein, sondern das Sprungbrett einer erfolgreichen Gesellschaft, auf welchem jeder einen Sprung wagen dürfen sollte. Das Buch genoss aufgrund der Buchpreisbindung immer eine gewisse Anerkennung für eben diese Funktion für die Gesellschaft. Mit den E-Medien verkommt das ganze zu einer urheberrechtlichen Farce.
Die Verleger von E-Journals gehen sogar noch einen Schritt weiter bei dieser aggessiven E-Medien-„Verwirtschaftung“:
Mittlerweile werden von vielen Fachjournals zwischen den Veröffentlichung von Ausgaben „ahead online publications“ herausgegeben, von denen man nicht weiss, welcher der Artikel es in die nächste Ausgabe schafft und welcher nicht. Somit ist der Kunde gezwungen, diese ahead e-publications zu horrenden Preisen (i. d. R. um die 25 Dollar) anzuschaffen. Nicht selten sind genau diese Artikel von grossem Interesse für das Fachpublikum aufgrund ihrer Aktualität. Selbst wer das E-journal abonniert hat, hat lediglich zugriff auf die Regulären Ausgaben, nicht aber auf die ahead online publications.
Es zeichnet sich also eine deutliche Stossrichtung ab: mit äusserst aggressiven Methoden wird der Forschung und Bildung das Geld aus den Taschen gezogen, was nicht zuletzt oft auch durch die Allgemeinheit finanziert werden muss. Die ganze Szenerie ist absurd und gipfelt in der Tatsache, dass für E-Publikationen einfach keine klaren gesetzlichen Richtlinien existieren, was den Verlagen einen maximalen Spielraum erlaubt. Ich hoffe dass diesem Irrsinn bald ein Ende bereitet wird.