Moderner Sklavenhandel – Gewerkschaften kritisieren Bedingungen für Temporärangestellte

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hat den Bund aufgefordert, die Temporärbranche genauer unter die Lupe zu nehmen (höchste Zeit!). Die Missbräuche haben laut einer in Bern vorgestellten SGB-Studie in den letzten Jahren stark zugenommen. Teilzeitangestellte werden oft als Manövriermasse eingesetzt.
Folgende Forderungen werden von der SGB gestellt:

– die Bewilligungen müssten überprüft werden
– die Kontrollen verschärft werden
– verbindliche Gesamtarbeitsverträge, damit die Temporärarbeit gegenüber den Festanstellungen nicht weiterhin künstlich verbilligt wird

Arbeitslosigkeit treibt viele Menschen in das Temporärarbeitswesen – wie mich auch. In der Hoffnung, eine Festanstellung zu ergattern, lässt man sich einstellen und somit als Konjunkturpuffer einsetzen. Sobald die Engpässe für den Betrieb überstanden sind, wird man als erste/r gekündigt.

Das bedeutet Temporärarbeit wirklich:
weniger Einkommen für die gleiche Tätigkeiten.
Zwei Klassen von Beschäftigten innerhalb eines Betriebes.
Ständige Konkurrenz und Leistungsdruck.
Arbeit auf Probe – teils über Jahre
Verdrängung von regulären Arbeitsplätzen durch Zeitarbeit.
Keine Interessenvertretung im Betrieb.
Häufige Verstöße gegen Tarif-, Urlaubs- und Lohnfortzahlungsbestimmungen.
Zwang für Erwerbslose, zu Lohndrückern zu werden.

Die NZZ schreibt „Die Gewerkschafter kritisieren, dass es bei den Löhnen von Teilzeitbeschäftigten Missstände gebe. Kontrollen zeigten, dass bei über 10 Prozent der Anstellungen Mindestlöhne oder orts-, berufs- und branchenübliche Löhne nicht eingehalten wurden.“
Der Lohn ist das, was für unsere Vorfahren Nahrung und Kleidung war: Sicherheit, der Garant für Fortbestand. Ich wette unsere Vorfahren hätten schön dumm geschaut wenn sie 10% von jeder erlegten Beute hätten abgeben sollen. Schliesslich war der Zehnte selbst zu Zeiten der Hörigkeit nicht beliebt. Der Lohn ist das, was uns für unsere Arbeit zusteht, und das man für das Recht auf den kompletten Lohn kämpfen muss, ist ohnehin ein Armutszeugnis für Wirtschaft und Bund.

Temporärarbeiter werden auch besonders gerne für schwere körperliche Arbeit eingesetzt, weil die Firmen sich zu schade sind, ihr Stammpersonal mit möglichen Risiken zu konfrontieren. Die Firmen – insbesondere in der Baubranche – „bestellen“ sich also einen „Handlanger“, der die Schwerarbeit übernimmt. Dadurch wird das Stammpersonal nicht belastet. Gute Qualifikationen oder Leistungen werden da kaum beachtet, da es letzten Endes nur darum geht, die Schwerstarbeit auf eine betriebs-externe Person abzuwälzen, deren Versicherungskosten nicht getragen werden müssen. Dadurchgibt es Leute, die jahrzehntelang für körperlich besonders anspruchsvolle Einsätze bei etlichen Firmen und Projekten temporär angestellt werden, aber die überdurchschnittliche Abnutzung ihres Körpers und ihr damit sinkender Marktwert können sie niemandem in Rechnung stellen.

Temporär Angestellte werden in der Regel eingesetzt, um bei Engpässen auszuhelfen. Sobald sie nicht mehr benötigt werden, werden sie innerhalb einer lächerlich kurzen Frist gekündigt. Meist wird ihnen vorgegaukelt, sie hätten die grosse Chance auf eine Festanstellung, letzten Endes bleibt es aber die Regel, das man nur selten aus dem Teufelskreis der Temporärarbeit ausbrechen kann, zumal man von etlichen Firmen angeheuert wird, den Mund wässrig geredet bekommt, sich für eine mögliche Festanstellung voll ins Zeug legt um dann schliesslich doch nur das Kündigungsschreiben in den Händen zu halten.

Dann sitzt man wieder auf der Ersatzbank und wartet auf die nächste Grosse Chance, die man sich ironischerweise selber verbaut, weil die Rekrutierungsverantwortlichen der Betriebe nichts von einer Aneinanderreihung etlicher Temporäreinsätze im Lebenslauf halten und daher den Bewerber ebenfalls nur temporär anstellen… Man wird von Firma zu Firma weitergereicht, Qualifikationen und Leistungen werden auf die Dauer kaum anerkannt, lediglich der Nutzen der Person steht im Zentrum.

Aber – und das ist aus meiner Sicht die wohl grösste Unverfrorenheit schlechtin – es gibt auch Firmen, die eine Person jahrzehntelang temporär anstellen. Das ist echt nicht mehr ein Kurzeinsatz! Wenn ein Betrieb auf eine Person über so einen langen Zeitraum angewiesen ist, ist es für mich eine Schande, dass ein reguläres Anstellungsverfahren dennoch nicht in Betracht gezogen wird. Denn für den/die Angestellte ist es mehr als enttäuschend, dennoch keinen festen Platz zu erhalten. Oft werden diese Personen als „Hilfsmitarbeiter“ eingesetzt, während über ihren Köpfen hinweg Festanstellungen vergeben werden. Die temporär Angestellte Person wird somit ihres Rechts auf Weiterbildungen, berufliche Entwicklung und Aufstiegschancen beraubt, sie wird aufs Abstellgleis gestellt und ihre Leistung wird nicht im Geringsten gewürdigt. Aus meiner Sicht darf ein Temporäreinsatz nicht länger als zwei Jahre dauern. Alles was länger dauert, müsste – notfalls zumindest eine begrenzte – Festanstellung rechtfertigen.

Nicht zuletzt ist man als temporär Angestellte/r chancenlos dem Kunden des Personalvermittlers ausgeliefert (Beispielsweise wenn es um die Arbeitszeiten geht). Sehr oft trifft man auf Missstände, und wenn man diese beim Personalvermittler anspricht, wird man von diesem so hingestellt, als wäre man eine undankbare Arbeitskraft, welche keine Ansprüche zu stellen hat. Rückendeckung erfährt man seitens der Vermittler kaum, weil sich diese ohnehin nur mit dem Profit beschäftigen wollen, den man für sie einbringt, aber mit Sicherheit nicht mit den Problemen, mit denen man am Arbeitsplatz zu kämpfen hat (auch wenn sie dafür klar Verantwortung übernehmen müssten).

Temporärarbeit ist moderner Sklavenhandel nur um an billige Arbeitskräfte zu kommen die dann bei Dumpinglöhnen verheizt werden. All dies führt zu niedrigen Löhnen, Mehrarbeit und weniger soziale Sicherheit für die abhängig Beschäftigten. Die Temporärbranche unterhält ein System, das den regulären Arbeitsplatz billig ersetzen will.

Wer nie temporär angestellt war, wird sich sicher weniger stark mit diesem Text identifizieren können, aber auch für solche, die im Augenblick fest angestellt sind: selbst wenn ihr euch im Augenblick in einer sicheren Anstellung befindet; eine echte Garantie, dass ihr nie temporär arbeiten müsst, habt ihr nicht. Und eine Kündigung und die Arbeitslosigkeit können mittlerweile schnell ins Haus flattern – nicht zuletzt aufgrund möglicher Auswirkungen des Temporärarbeitswesens selber…

Die NZZ schreibt bezüglich Verhandlungen mit der Dachorganisation der Temporärbranche bloss „Die letzten Verhandlungen waren vor eineinhalb Jahren ergebnislos abgebrochen worden.“ Da kann man sich ja grosses davon Versprechen…

Und was sagt eigentlich der Personalvermittler MP zu all dem? Auf ihrer Webseite finden wir folgende Zeilen unter dem Thema „Unsere Werte“ (meine persönlichen Ergänzungen stehen in []):

Der Mensch [Die Arbeitskraft]

Uns interessiert der Mensch und die Rolle der Arbeit in seinem Leben. Wir fördern sein berufliches Weiterkommen
[<<< Ich erlebe es viel eher so, dass sie sich für den Mensch und die Stange Geld, die er durch seine Arbeit einbringt, interessieren. Berufliches Weiterkommen wird insofern gefördert, dass man von einem Temporäreinsatz zum nächsten katapultiert wird (was erwiesenermassen den persönlichen Marktwert senkt, für MP aber durchaus rentabel ist) ]

– durch Planung,
[>>> Planung kann man in einer Branche, welche ausschliesslich auf Kurzfristigkeit setzt, nicht viel ausrichten, also gehe ich mal davon aus, dass die einzige Planung, die konkret stattfindet, die Finanzplanung des Unternehmens ist]

Arbeit,
[>>> Ja, die Arbeit des Vermittelten]

Coaching
[>>> Coaching als Trendbegriff für die Unterdrückung der vermittelten Person]

und Training.
[>>> die Weiterbildungsmöglichkeiten beschränken sich meines Wissens auf die Möglichkeiten, die der vermittelten Person jeweils am Arbeitsplatz geboten werden, aber das ist nicht Sache von MP, sondern der jeweiligen Betriebe]

Unser Wissen [ein Gerücht]

Wir teilen unser Wissen, unsere Kompetenz und unsere Ressourcen. Wir hören aktiv zu und nutzen Informationen, um unsere Beziehungen, Lösungen und Dienstleistungen zu verbessern.

[>>> MP teilt soviel von ihrem Wissen, wie es für sie förderlich ist, die Kompetenz stelle ich prinzipiell in Frage und was die Ressourcen angeht: welche Ressourcen wollt ihr teilen? Meines Wissens nach verfügt ein Personalvermittler wohl ausschliesslich über sogenannte „Human Ressources“… dass sie diese bekanntermassen gerne teilen ist verständlich – aber dass sie dafür abkassieren auch. Das Aktive Zuhören habe ich bereits erlebt… es war so aktiv, dass ich kaum noch zu Wort gekommen bin.]

Die Innovation [nicht vorhandene]

Wir haben Mut zu Innovationen, Pionierleistungen und zur stetigen Weiterentwicklung. Ständig hinterfragen wir die Norm, um neue und bessere Arbeitsmethoden zu entwickeln.

[>>> Ja, durch ihren Mut zu Innovationen entstehen ganz neue Löhne, sie leisten Pionierarbeit auf dem Gebiet des Verkaufens von menschlicher Arbeitskraft und ihre Weiterentwicklung besteht wohl darin, den Profit aus der Arbeit anderer Leute an die Börse zu bringen und noch mehr Geld daraus zu machen. Es gibt keine zu hinterfragende „Norm“, welche eine Arbeitsmethode für MP definiert (weil der Sklavenhandel bereits abgeschafft worden ist). Würden sie ihre Arbeitsmethode wirklich anhand einer modernen Norm entwickeln, würde MP also kein Geld mehr mit Billigarbeitskräften verdienen]

Es ist wirklich an der zeit, dass der Bund den temporär Angestellten unter die Arme greift und die Ausbeutung menschlicher Arbeit zumindest auf ein kontrolliertes Niveau bringt (wie sonst wo in der Wirtschaft auch).

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