Seit der Niederlage in der Schlacht bei Marignano hatte sich die Eidgenossenschaft aus Konflikten herausgehalten, da die innere religiöse oder politische Spaltungen des Landes ein militärisches Engagement im Ausland in Frage stellten. Sie konnte somit seit 1515 als nach aussen hin neutral bezeichnet werden. Mit der Initiative „Symbole der christlich-abendländischen Kultur sind im öffentlichen Raum zulässig“ wird diese Neutralität auf die Probe gestellt:
Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates hat einer parlamentarischen Initiative zugestimmt, welche deren Sonderstellung im öffentlichen Raum ausdrücklich in der Bundesverfassung festschreiben will. Die Kommission hat der parlamentarischen Initiative von Nationalrätin Ida Glanzmann mit 12 zu 12 Stimmen und mit Stichentscheid ihres Präsidenten zugestimmt.
Die SPK erachtet eine neue Verfassungsgrundlage für nötig, um die christliche Tradition und ihre Symbole wie das Weg- und Gipfelkreuz, den Bildstock oder die Weihnachtskrippe zu bewahren. Einzelpersonen oder einzelne Gruppierungen sollten nicht mit Verweis auf die Glaubens- und Gewissenfreiheit die in der Schweiz vorherrschende christlich-abendländische Kultur infrage stellen können.
Kurz: Die Initiative will den Status Quo zementieren:
- Kirchenglocken nerven weiterhin all diejenigen, die in einem Zeitalter angekommen sind in dem Uhren nicht einmal mehr laut ticken,
- atheistische Soldaten können weiterhin nicht mit weltanschaulich neutraler Betreuung rechnen,
- die Kirche lässt sich vom Staat die administrative Drecksarbeit (Mitgliederbeiträge einfordern) auch in Zukunft machen,
- die Firmen dürfen weiterhin Geld an die Kirche bezahlen weil sie schliesslich mit ihrem Gebet den Weltfrieden sicherstellt,
- die religiöse Indoktrinierung der Kinder wird auch zukünftig über das Bildungswesen sichergestellt, notfalls indem man sich Lehrpersonen anderer Weltanschauungen entledigt,, (oder sie werden öffentlich bedroht)
- Homosexuelle werden auch in Zukunft mit religiöser Legitimation schlechtgeredet,
- Ungläubige und Andersgläubige werden auch in Zukunft mit religiöser Legitimation öffentlich schlechtgeredet,
- Ungläubigen und Andersgläubigen wird weiterhin diktiert an welchen bis zu 8 Feiertagen im Jahr sie Zwangsferien zu beziehen haben, aber um ihre eigenen Feiertage zu feiern müssen sie Ferienguthaben investieren.
Eine derarte Positionierung als „Christliches Land“ wäre ein katastrophaler Rückschlag, sowohl innen-, aussen– wie weltpolitisch; eigentlich ein vorprogrammierter Querschläger. Dass man einem guten Drittel der Bevölkerung zu diesem Zweck das bereits konstant unterwanderte Menschenrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit stutzen will, zeugt nicht nur von Konservatitivät (besser: konservatorischem Eifer) sondern auch von einer Extremistischen Komponente. Aus sozialer Sicht würde ich es als „dreist“ bezeichnen.
Diese politische Überreaktion zeugt von Angst. Die unterschwellige Angst, die Kinder würden es noch weniger genau mit der eigenen Religion nehmen, als man es bereits selber tut. Leider schweigt sich die Schweizer Kirche über konkrete aktuelle Austrittszahlen aus.
Gut auf den Punkt gebracht.
Das Geschäft im Parlament ist aber am 20.05.2011 auf NR Zurückgezogen gesetzt worden… des heisst wohl soviel – wie „gecanceled“
Tatsächlich! Merci für die Info!
Phu, das Parlament hat gerade auf eine Anfrage von mir mitgeteilt, dass es sich beim Status „zurückgezogen“ um einen Fehler handelte und man würde das schnellstmöglichst korrigieren; doch keine Entwarnung 🙁
Jene, die gerne lautstark über die christliche Kultur lästern und sich über den Klang von Kirchglocken ärgern, sei gesagt, dass sie ohne unsere christlich-abendländische Kultur wohl kaum die Freiheiten geniessen könnten, die sie haben. Sie sägen, ohne es zu merken, am Ast auf dem sie sitzen.
Freidenker würden z.B. Saudiarabien oder im Iran wesentlich gefährlicher leben als in einem christlichen Land. Einfach mal so zur Info.
Besten Dank für Ihren Kommentar. Bitte führen Sie doch aus, welche Freiheiten insbesondere FreidenkerInnen durch das Christentum erhalten haben, und bitte auch, wie es dazu gekommen ist. Spannend finde ich, dass Sie die Arroganz christlicher Gläubiger an der Arroganz islamischer Gläubiger messen um das eigene Gewissen zu beruhigen.