Organisierte Ignoranz des Volkswillens
Nachdem die Abstimmenden die Initiative von Franz Weber «gegen den uferlosen Bau von Zweitwohnungen» angenommen hatten, setzten Baulobbyisten, Touristiker und Politiker in den Bergkantonen alle Hebel in Bewegung, um das ungeliebte Volksbegehren auszuhöhlen.
Während der jahrelangen Debatten darüber haben die Walliser oder Bündner nie so getan, als wüssten sie nicht, was mit «Zweitwohnung» gemeint ist; was sich nach der Abstimmung schlagartig änderte: Der zuständige Staatsrat Jean-Michel Cina und CVP-Präsident Christoph Darbellay kannten den eigenen kantonalen Richtplan eigentlich. Dort steht im Koordinationsblatt D.1/3 eine klare Definition: «Unter dem Begriff Zweit- oder Ferienwohnung werden Wohnungen in Chalets und Appartmenthäusern verstanden, die nur zeitweise genutzt werden.»
Allein in den obersten drei Gemeinden des Goms kämen über 40 Projekte mit über hundert Wohnungen zusammen. «Die Zweitwohnungsinitiative wirkt ironischerweise als ‚Brandbeschleuniger’ der Zersiedelung», schrieb der Walliser Korrespondent der NZZ. Die Franz-Weber-Stiftung musste im Wallis Einsprachen gegen 318 Baugesuche einreichen. Die Walliser Insubordination wurde zum Bundesgerichtsgeschäft.
Schelte für Bergkantone
Nach dem erforderlichen Urteil des Bundesgerichts – welches der Franz-Weber-Stiftung volles Verbandsbeschwerderecht eingeräumt hat und die Gültigkeit der Zweitwohnungsinitiative auf den März 2012 festlegte – griffen der Walliser CVP-Staatsrat Jean-Michel Cina und der Möchtegern-Regierungsrat Christoph Darbellay erneut zu Nebelpetarden. In der Tagesschau tat Cina so, als falle er aus allen Wolken und Darbellay jammerte über die möglichen Einnahmeausfälle im Wallis.
Warum die Initiative richtig ist:
In der Schweiz gibt es schon heute rund zwei Millionen Zweitwohnungs-Betten, die durchschnittlich in neun von zehn Nächten leer stehen. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Logiernächte. Wenn nun der Bund erlauben würde, die Zahl und den Anteil der Zweitwohnungen weiter zu erhöhen, macht er die Betten nicht wärmer, sondern kälter. Eine tiefere Auslastung dürfte noch mehr bestehende Hotels in den Ruin treiben. Eine Vermehrung der Zweitwohnungen wäre also ökologisch schädlich und ökonomisch unsinnig. Es sei denn, die zusätzliche Betonierung der Alpen würde die Attraktivität der Feriendestination Schweiz erhöhen – und entgegen dem langfristigen Trend mehr Gäste anlocken?
Ich bin offenbar die einzige Walliserin die sich darüber freut, dass es bald wieder bezahlbare Mietwohnungen im Wallis gibt die nicht wochenweise zu Wucherpreisen angeboten werden. Das armseligste aller Argumente gegen eine Begrenzung der Zweitwohnungen ist die Aufrechterhaltung des Baugewerbes: Haben sich die Politiker schon einmal Gedanken darüber gemacht, dass das Wallis sich nicht innerhalb seiner Grenzen ausdehnen kann? Spätestens in 10 Jahren – wenn wirklich der letzte grüne Fleck im Wallis zugebaut worden wäre – würde man ohnehin vor diesem Problem stehen. Mitunter darf nicht vergessen gehen, dass im Wallis immer noch eine Autobahn geplant ist…