Zum Welttag gegen Internetzensur

Heute findet der „Welttag gegen Internetzensur“ statt. Der Tag wurde von ROG initiiert, um auf die weltweit zunehmende Internet-Zensur und Repressionen gegen Blogger und Internetnutzer aufmerksam zu machen, und wird dieses Jahr zum zweiten Mal begangen.


Sehr kritisch, aber auch mit einigen hoffnungsvollen Teilen, fällt der anlässlich des Aktionstages veröffentlichte Bericht aus. Dieser befasst sich mit dem Zustand der Freiheit im Internet weltweit.

In autoritären Staaten, so der Bericht, sei das Internet eine einzigartige Möglichkeit, sich auszutauschen und zu informieren. So könne Protest entstehen und sich trotz der Repressionen eine kritische Zivilgesellschaft entwickeln. Allerdings sei dieses Potential auch den Machthabern zunehmend bewusst, so dass diese einzugreifen versuchten. Mit Hilfe von Zensurmaßnahmen, Überwachung und strengen Gesetzen versuchten die Regierungen derartiger Staaten, der aufkommenden Kritik Herr zu werden, schreibt ROG. Momentan seien mit fast 120 Menschen weltweit so viele Blogger, Internetnutzer und Cyber-Dissidenten inhaftiert wie nie zuvor. Über die Hälfte davon sitzt in China hinter Gittern.

Auch westlichen Demokratien macht die Reporter-Organisation Vorwürfe. Im Namen des Kampfes gegen Kinderpornographie und Urherrechtsverletzungen seien in zahlreichen Ländern bedenkliche Gesetze erlassen worden, kritisieren die Aktivisten.  Sie nennen in diesem Zusammenhang insbesondere Australien, Frankreich, Italien und Großbritannien. Auch der ACTA-Vertrag wird harsch kritisiert, einerseits aufgrund der intransparenten Verhandlungen ohne Einbeziehung von NGOs und Zivilgesellschaft, andererseits aufgrund möglicherweise enthaltener Maßnahmen wie Netzfiltern, die als „potentiell tödlich für die Freiheit“ eingestuft werden.

Positive Erwähnung finden dagegen einige skandinavische Länder. Finnland wird dafür gelobt, Breitband-Internet als Grundrecht eingeführt zu haben. Bis zum 31. Juli 2010 soll jeder Finne mindestens über einen 1 MBit/s-Anschluss verfügen; bis 2015 soll diese Geschwindigkeit auf 100 MBit/s erhöht werden. Ganz besonderes Lob erntet – wenig überraschend – Island. Die dort geplante und derzeit im Parlament verhandelte Icelandic Modern Media Initiative (IMMI) soll das Land zu einem „Hafen für investigativen Journalismus“ machen (gulli:News berichtete). „Wenn [die IMMI] angenommen wird, wird Island ein Cyber-Paradies für Blogger und Bürgerjournalisten,“ zeigt sich ROG begeistert.

Im Kampf der Internetnutzer gegen repressive Autoritäten nennt der Bericht mehrere wichtige Faktoren. Einer davon sind die technischen Mittel: Filter- und Überwachungstools auf der einen, Anonymisierungsdienste und Verschlüsselung auf der anderen Seite. Daneben wird auch der politische Druck der Weltöffentlichkeit als bedeutender Faktor genannt. Ebenfalls in den Augen von ROG bedeutend: Vernetzung und Solidarität der kritischen Stimmen untereinander. „In ihrer scheinbaren Isolation sind Internetnutzer, Dissidenten und Blogger verwundbar. Darum fangen sie an, sich zu organisieren, kollektiv oder individuell, je nachdem, welche Anliegen sie verteidigen wollen. […] Der Widerstand wird zunehmend organisierter,“ erklären die Autoren des Berichts.

Als Feinde des Internets genannt werden Länder, von denen die meisten zu den „üblichen Verdächtigen“ in Sachen Repression gehören: Saudi-Arabien, Burma, China, Nord-Korea, Kuba, Ägypten, Iran, Usbekistan, Syrien, Tunesien,Turkmenistan und Vietnam. In diesen Staaten werden unliebsame Internetnutzer systematisch verfolgt und „unerwünschte“ Online-Informationen oft mit großem technischen Aufwand zensiert. In einigen Ländern wie China und Usbekistan schreiten Tendenzen voran, das Internet zu einer Art Intranet zu machen. In Nordkorea, Birma und Turkmenistan ist ein Großteil der Bevölkerung sogar komplett vom World Wide Web abgeschnitten.

Einige Neuzugänge gibt es dagegen in der Liste der Staaten „unter Beobachtung“. Auch einige demokratische Länder sind auf dieser Liste vertreten. Dort findet sich – aufgrund der Einrichtung eines sehr hochentwickelten Netzsperren-Systems – beispielsweise Australien wieder. Auch Russland und die Türkei stehen auf dieser Liste.

Mit dem Aktionstag will ROG auf das Problem der Netzzensur, aber auch auf positive Errungenschaften der Internetnutzer aufmerksam machen. Noch immer wird die Bedeutung des Internets für die freie Meinungsbildung, den Informationsaustausch und die Kommunikation zwischen Gleichgesinnten von vielen Menschen unterschätzt. Viele autoritäre Regierungen allerdings scheinen dieses Potenzial mittlerweile begriffen zu haben – mit keineswegs positiven Auswirkungen.  Selbst demokratische Regierungen befürchten oft einen Kontrollverlust durch das Internet und versuchen, diese Kontrolle mit repressiven Methoden zurückzuerlangen. Allerdings zeigen Beispiele wie insbesondere das von Island, dass das Potenzial der neuen Medien und des Internets zunehmend auch in positiver Weise anerkannt und gewürdigt wird. Die Jahresbilanz also – sie fällt wie so oft gemischt aus.

Der komplette Bericht ist – in englischer Sprache – im Internet einsehbar.

Dank sei dem Gulliboard

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