Langsam habe ich schon befürchtet, dass die ACTA-Diskussion aus Furcht vor findigen und autonomen Bürgern vollends unter Verschluss bleiben wird und uns dann wie ein nasses Handtuch um die Ohren geschlagen wird wenn die Suppe gekocht ist. Endlich scheint die erste Informationslücke erste Erkenntnisse an den Mann zu bringen. Ich beschränke meinen Kommentar auf *kopfschüttel*
Ein jüngst geleaktes Dokument rund um das Anti-Counterfeit Trade Agreement (ACTA) gewährt Einblick in die Verhandlungspositionen der USA, Japan sowie der EU. Das 44-Seiten starke PDF lässt einige Details ans Licht kommen.
Wer ist für das Anti-Counterfeit Trade Agreement und wer nicht? Ein jüngst geleaktes PDF der Europäischen Union stellt die Verhandlungspositionen der Vertragspartner gegenüber. Dabei gibt es einige interessante Feststellungen. So scheinen sich die Verhandlungsparteien bei vielen Punkten alles andere als einig zu sein. Darüber hinaus scheinen bereits die geringsten Veränderungen der Formulierungen erhebliche Folgen zu haben.
In einem Teil des Dokuments geht es beispielsweise darum, ob der Schadensersatz anhand des tatsächlich entstandenen Schadens bemessen werden soll oder ob nach einem gesetzlich festgelegten Mindestrahmen agiert werden soll. Die USA wünschen sich der dieser Passage das Wort „soll“. Die EU, Kanada sowie Neuseeland fordern stattdessen das Wort „darf“ für den Gesetzestext. Solch ein kleines Wort kann am Ende einen gewaltigen Unterschied bereiten.
Wie aus dem Dokument weiter hervorgeht, versuchen die USA ihre Ansichten weitgehend durchzusetzen. So drängen sie in allen Teilaspekten auf gesetzlich genormte Schadensersatzsummen. Eine Darlegung des tatsächlich entstandenen Schadens vor Gericht soll keinen Platz finden. Doch die USA scheinen bei diesem Spiel nicht zwingend die „Bösen“ zu sein. Wie aus dem Dokument ersichtlich wird, hat auch die EU einige Textpassagen gestrichen. Bemerkenswerterweise finden sich darunter auch Passagen, die eine „faire Nutzung“ (engl: fair use) von urheberrechtlich geschützten Werken gestatten.
Einige der interessantesten Bestandteile zum Internetkapitel des ACTA-Abkommens:
- Die Thematik der „Safe Harbour“-Klausel scheint die Vertragspartner zu entzweien. Die Safe Harbour-Klausel befreit Diensteanbieter von einer Haftung, sofern diese Maßnahmen gegen rechtswidrige Taten ergreifen, falls sie davon erfahren. Neben einem Entwurf der USA stehen auch noch Ansätze aus Japan sowie der EU im Raum. Neuseeland zeigt sich gänzlich zurückhaltend und fordert Klärung, was von der Safe Harbour-Klausel betroffen sein soll.
- Der japanische Entwurf sieht eine Haftung der Provider vor, sobald diese von der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt haben. Die Diensteanbieter dürften zur Haftung herangezogen werden, wenn es technisch möglich ist, weitere Verletzungen zu verhindern. Dies gilt auch dann, wenn der Provider „weiß oder Grund zu der Annahme hat„, dass eine Rechtsverletzung stattfindet.
- Provider sollen in ihren Nutzungsbedingungen erwähnen, dass sie technisch wirksame Maßnahmen gegen Rechtsverletzungen tätigen (bspw: Three-Strikes-Gesetz). Nur wenn sie sich dazu bereit erklären, können sie sich unter den Schutz der Safe Harbour-Klausel stellen. Neuseeland stellte sich vehement gegen diese Position. Japan hingegen hat erklärt, dass deren Gesetz keine Nutzungsbedingungen vorschreibt. Eine Implementierung solcher Richtlinien wäre also schwierig.
- Die USA versuchen, einen globalen Digital Millenium Copyright Act (DMCA) durchzusetzen. Dieser ermöglicht es in den USA, sogenannte Löschaufforderungen zu versenden. Die Vollmachten von Rechteinhabern würden damit drastisch steigen. Eine der Nutzungsmöglichkeiten des DMCA sah man beispielsweise beim Fall Microsoft gegen Cryptome (gulli:News berichtete).
Einige der interessantesten Bestandteile zur zivilrechtlichen Durchsetzung des ACTA-Abkommens:
- Die USA, Japan sowie die EU wollen eine Erweiterung der Rechtsmöglichkeiten auf jedwedes geistige Eigentum, also beispielsweise auch Patentangelegenheiten oder Vergleichbares. Kanada, Singapur und Neuseeland fordern hingegen eine strikte Begrenzung der zivilrechtlichen Möglichkeiten von ACTA. Es soll bei Urheberrechts- und Markenrechtsangelegenheiten bleiben.
- Der Informationsaustausch bei Ermittlungen soll sehr weitläufig sein, wie die USA fordern. Die EU stellt sich mit der Forderung nach einem limitierten Austausch dagegen. Noch engere Grenzen formuliert lediglich der Vertragspartner Kanada.
- Die EU fordert eine rechtliche Handhabe gegen Vermittler, deren Dienste zur Verletzung eines geistigen Eigentumsrechtes missbraucht werden. Mit dieser Forderung steht die EU bislang alleine.