Nein nein keine Angst, das ist nicht irgend eine neue Initiative von irgendwelchen Fanatikern. Ich darf euch beruhigen, liebe Walliser: es ist seit über 100 Jahren bereits Realität in unserem Staat 🙂
Aufmerksam auf diese Tatsache wurde ich aufgrund meines Kirchenaustrittes. Ich habe diesen im September 2009 faul/pragmatisch wie ich bin über atheismus.ch automatisiert erstellen lassen und ihn anschliessend wie geheissen eingeschrieben an Pfarrei und Gemeinde geschickt.
Kurz darauf erhielt ich dann einen Brief von unserem „Pfarrherr“ indem er Bedauern heuchelte und religiöse Werbung betrieb. Ein paar Tage darauf bekam ich dann von der Gemeinde ein Schreiben in welchem stand, dass ich aufgrund meines Austrittes dennoch nicht von der Kirchensteuer völlig befreit würde, da die Gemeinde dazu verpflichtet sei, die Defizite der Pfarreien zu tragen. Also bezahle ich die Instandhaltung der Glocken die mich daran hindern, Sonntags auszuschlafen auch weiterhin. Der Brief verlangte auch, dass ich mich bei der Gemeinde melden solle um meinen Austritt zu bestätigen.
Obwohl ich mich schon etwas genötigt fand habe ich also dort angerufen und den Austritt bestätigt, war dann auch so freundlich das Sekretariat der Gemeinde darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Vorgehen – so nett es auch gemeint sei – einer Erschwerung des Austritts gleichkomme und somit rechtswidrig sei, denn eine weitere Bestätigung hätte nicht verlangt werden dürfen.
Natürlich habe ich mich dann auch schlau gemacht, warum denn die Gemeinde dazu verpflichtet ist, diesem Hobbyverein Geld zu bezahlen. Ich fand einen äusserst spannenden Artikel im Archiv der Oberwalliser Regionalzeitung, den ich hier ohne Umschweife zitiere:
Sitten / Leuk / Im Kanton Wallis kommt niemand um die Kirchensteuer herum. Das in der Schweiz einzigartige System findet seine Verankerung im Gesetz über das Verhältnis zwischen Kirche und Staat. Während in anderen Kantonen eine effektive Kirchensteuer erhoben wird, zahlen im Wallis die Gemeinden, was die Pfarreien nicht selber finanzieren können.
Von Ruth Seeholzer
„Soweit die Pfarreien der römisch-katholischen Kirche und diejenigen der evangelisch-reformierten Kirche die ortskirchlichen Kultusausgaben nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können, kommen dafür unter Wahrung der Glaubens- und Gewissensfreiheit die Einwohnergemeinden auf.“ Knapp und klar zeigt damit der Artikel 5 des Gesetzes über das Verhältnis zwischen Kirche und Staat auf, wie die öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen im Kanton Wallis finanziert werden. Die Gemeinden wiederum nehmen die Kultusausgaben in ihre laufenden Rechnungen hinein. Finanziert werden diese mit den normalen Gemeindesteuern.
Sind die Radikalen schuld?
„Das ist so“, stimmt Stefan Margelist, Pfarrer von Leuk, zu. „Die Gemeinden übernehmen das kirchliche Defizit.“ Woher stammt denn diese in der Schweiz einmalige Regelung? Dazu ein wenig Geschichte: 1815 überzeugte Österreich das Wallis, den vom Wiener Kongress beschlossenen Anschluss an die Eidgenossenschaft zu akzeptieren. 1831 bekam ein grosser Teil der Schweizer Kantone eine liberale Verfassung. Im Wallis regten sich auch liberale Geister, hier kam es jedoch 1840 zum Bürgerkrieg, den die Liberalen gewannen. 1843 gewannen aber die Konservativen wieder die Grossratswahlen. „Die neue Regierung liess sich verleiten, dem ‚Sonderbund’ beizutreten“, erklärt Pfarrer Lambrigger von Münster in seinem geschichtlichen Abriss. Und der Sonderbundskrieg endete ja bekanntlich mit der Niederlage der katholischen Kantone. Daraufhin kamen 1847 im Wallis die Radikalen an die Macht. Am 11. Januar 1848 beschloss diese Regierung, die Güter des Bischofs, des Domkapitels und der Klöster zu verstaatlichen, um die Kosten des Sonderbundkrieges zu bezahlen. Pfarrer Lambrigger dazu: „Das katholische Walliservolk nahm in der Abstimmung das Säkularisationsdekret und die neue Verfassung nur darum an, weil die eidgenössischen Besatzungstruppen vor den Stimmlokalen aufmarschierten und die Bürger einschüchterten.“ Diese Interpretation wird allerdings nicht von allen Historikern geteilt. Tatsache ist jedoch, dass die Walliser Kirche nach diesem Coup praktisch mittellos dastand.Papst versuchte zu retten
Der Papst verhandelte daraufhin mit dem Walliser Staatsrat über die Rückgabe der Kirchengüter. Er bot zuerst 500’000 und dann 800’000 Franken für die Tilgung der Staatsschuld an, doch der Staatsrat forderte mehr. Es kam keine Einigung zustande. Der Papst exkommuniziert darauf alle Gläubigen, die sich auf irgendeine Weise an der Enteignung der Kirche beteiligt hatten, was einen Sturm der Empörung auslöste. Bei den Wahlen 1857 errangen jedoch die Konservativen wieder die absolute Mehrheit. Die neue katholische Regierung widerrief per sofort das Säkularisierungsdekret von 1848. Doch waren viele Kirchengüter schon veräussert. Für die enteigneten Güter zahlte der Staat 55›000 Franken an die Kirche. Der Papst war zwar gegen diese Regelung, er erlaubte es dem Bischof jedoch, alle Beteiligten von den Kirchenstrafen loszusprechen.Geh’ hin und tu Busse
Seit 1881 herrscht also wieder Frieden im Kanton Wallis zwischen Kirche und Staat. Und seitdem müssen die Gemeinden ihre Ortskirchen unterstützen, quasi als Busse für vergangene Schandtaten? – „Nein, nein!“, wehrt der Kirchenrechtler Stefan Margelist schmunzelnd ab. „So darf man das auch wieder nicht sehen.“ Aber doch so ungefähr. Bis zum aktuellen Gesetz von 1991 lebte die Kirche im Kanton Wallis allerdings auch immer in einer gewissen Unsicherheit. Sie war abhängig von den Spenden der Gläubigen und den freiwilligen Gaben der Gemeinden. „Daher ist dieses Gesetz gut für die Kirche“, erklärt Pfarrer Margelist. „Damit wurde die Eigenständigkeit der Pfarreien erreicht.“ Und den Gemeinden eine recht grosse finanzielle Last auferlegt (siehe Kasten).Kaum Rückforderungen
Nach dem geltenden Gesetz zahlen im Kanton Wallis alle Personen, die Gemeindesteuern zahlen, damit automatisch an die katholische (und minimal auch an die evangelische) Kirche. Und zwar egal, welcher Konfession. Also zahlt ein muslimischer Gastarbeiter an den Lohn eines katholischen Pfarrers, obwohl er diesen noch nie aus der Nähe gesehen hat? „Ja, das entspricht dem heutigen System im Wallis“, meint Kirchenrechtler Margelist. Er rechtfertigt dies damit, dass Anders- und Nichtgläubige bei den Gemeinden einerseits einen Teil der Steuern rückfordern können und andererseits er bringe die Kirche auch überkonfessionelle Leistungen wie zum Beispiel Orgelkonzerte, die allen Menschen offen stünden. Mit den Rückforderungen bei den Gemeinden hapert es allerdings. Recherchen der RZ ergaben, dass diese selbst bei den grössten Gemeinden an einer Hand abzuzählen sind. „Die wenigsten Steuerzahler sind informiert über ihr Recht, einen Teil der bezahlten Gemeindesteuern zurückfordern zu können, wenn sie weder katholisch noch reformiert sind“, meint ein Finanzverwalter gegenüber der RZ.
Eyeyeyey, da hab ich aber geschmunzelt! Natürlich darf sich meine Gemeinde über ein weiteres Telefonat mit mir freuen, indem ich einerseits die Rückforderung geltend als auch darauf aufmerksam machen werde, dass es nett gewesen wäre mich über diese Option zu informieren statt mich mit einem rechtswidrigen Schreiben gängeln zu wollen.
Nun erscheint das Abstimmungsergebnis der Minarettinitiative im Grunde genommen für das Wallis in einem ganz neuen Licht für mich, denn schliesslich werden Muslime im Wallis dazu angehalten, die Religion anderer zu finanzieren, während diese sie auch noch in ihrer eigenen Religionsfreiheit einschränken. Aber gewusst wie, die Katholen hatten schon immer ein gutes Marketing….
Mir bleibt nichts anderes übrig als die Konfessionslosen im Wallis über ihr Recht auf Steuerrückforderung zu informieren und ich hoffe, dass die frohe Kunde sich verbreiten möge.
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