Zum Tag des Rechts auf Wissen: Bildung macht Schule

An jedem 28. September feiern wir den Tag des Rechts auf Wissen!

Es gilt das sinnfreie Feiertagsdekret!

Jeden Tag wird eine unfassbare Menge an Wissen und Erkenntnissen gesammelt, bewertet, publiziert, zitiert, kritisiert und revidiert. Immer mehr Menschen fürchten sich gleichzeitig (und zu Recht) davor, von der Automatisation und der Digitalisierung aus dem Arbeitsmarkt verdängt zu werden. Die Leistungsgesellschaft kommt in Zugzwang: Müssen die Unternehmen dazu gegängelt werden, menschliche Ressourcen beinahe zwecklos zu beschäftigen oder muss der Sozialstaat diese Entwicklung aushalten bis die Banken die Kredite verwehren?

Ich denke, dass die Stärkung unseres Rechts auf Wissen ein Weg sein könnte, um unsere Zukunft anzunehmen.

Bereits heute gibt es unzählige Menschen, welche trotz Beschäftigung nicht dazu in der Lage sind, sich finanziell über Wasser zu halten. Darunter Familien mit Kindern. Zum Einen werden den Angestellten die klassischen (repetitiven) Flow-Tätigkeiten abgenommen, zum Anderen fehlen aber Angebote um ihre Ressourcen sinnbringend einzubringen. Doch Energie kann nicht zerstört werden, sie verändert lediglich ihre Form: Es ist ein massiver Ausbau der Erwachsenenbildung erforderlich damit unser Potential sich nicht gegen uns – die Menschheit selbst – richtet, etwa durch die Angst vor Migration o.ä. Unsere Massstäbe wie etwa der 8-Stunden-Arbeitstag oder die 5-Tage-Arbeitswoche sind nicht mehr zukunftsfähig und sie müssen es auch gar nicht sein: ganz egal wie viel Geld hin- und hergehandelt, entwertet oder veruntreut wird, die Ressourcen unseres Planeten und unser Umgang damit entscheiden in Wirklichkeit unsere Zukunft. Wir haben durch den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt den Punkt erreicht, an dem wir uns die Zeit nehmen müssen um der Zukunft mit Erkenntnis und ausgewogenen Massnahmen zu begegnen: diese Verantwortung liegt nicht alleine bei der Generation, welche gerade die obligatorische Schulzeit absitzt: wir alle müssen beginnen, ein Leben lang zu lernen.

Eine vielzahl an Anbietern, Zertifikaten und Labels soll uns durch den Dschungel der lebenslangen Bildung begleiten. Die Erwachsenenbildung ist ein grosser Tummelplatz für Scharlatane; Kontrollmechanismen und eine objektive Einordnung des Kenntnissstandes fehlen teilweise völlig. Sich selbst und die eigenen Stärken und Interessen dabei nicht aus den Augen zu verlieren ist eine Kunst. Das besonders Problematische: Nur wer es sich leisten kann, bildet sich weiter. Einige wenige haben das Glück, zukunftsorientierte Arbeitgeber zu haben welche den Prozess des ständigen Lernens unterstützen. Doch nicht selten bleibt der Wunsch sich weiter zu entwickeln ein ewiges Luftschloss. Obschon unser Rechtssystem FriedensrichterInnen verstärkt in den Prozess einbinden will um vermehrt diplomatische Einigungen zwischen den Streitparteien zu stiften und somit den Justizapparat zu entlasten, wird die Ausbildung zum Mediator oder der Mediatorin nicht unter 10 000 CHF angeboten. Wer also kann es sich überhaupt leisten, Frieden zu stiften?

Unser Zeitalter des Neodogmatismus negiert den Wert des Wissens gänzlich und vergisst dabei, dass es ohne dieses Wissen den Neodogmatismus gar nicht geben könnte weil uns Krankheiten oder andere (menschliche oder natürliche) Katastrophen längst ausgelöscht hätten. Nicht selten entwickelt sich aus dem Neodogmatismus ein Libertarismus, welcher den Wert von Solidarität ebenso negiert obschon es ihn ohne diese Solidarität gar nicht geben könnte: Menschen die auf eine solidarisch getragene Bildung zurückgreifen können, wollen eben diese Chance zukünftigen Generationen vorenthalten mit der Begründung, dass das öffentliche Bildungssystem reine Gleichmacherei oder gar Gehirnwäsche sei (wobei gerade die Libertaristen mit ihren Forderungen beweisen, dass ebendies nicht der Fall sein kann).

Diesem Angriff auf die Vermittlung von Wissen dürfen wir selbstbewusst begegnen: Bildungssysteme sind zwangsläufig nicht perfekt. Es handelt sich stets um die Übergabe von Erkenntnissen der Vergangenheit an die Zukunft. Damit ist nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form der Vermittlung gemeint: was vor 50 Jahren noch eine legitime Lehrmethode war, kann heute bereits eine verachtenswerte Technik sein. Die Pädagogik wächst mit ihren Erkenntnissen; in der Medizin wurden vor 100 Jahren in Ermangelung besseren Wissens auch deutlich mehr Amputationen vorgenommen als heute, und trotzdem wird die Medizin nicht als Ganzes abgelehnt. Kritik ist richtig, doch fundamentale Ablehnung lässt keine Entwicklung zu. Ich begrüsse die Neuerungen der letzten Jahrzehnte wie etwa das Zulassen von Linkshändigkeit, Inklusion, Integration, die individualisierte Vermittlung von Wissen durch das Erkennen und Eingehen auf Schwächen wie Dyslexie oder Dyskalkulie. All diese Massnahmen zeigen mir, dass unser Bildungssystem nicht starr und marode sondern entwicklungsfähig ist.

Genau wie in der Medizin strebt unsere Bildung eine Individualisierung an, weil unser Kenntnisstand dies nun ermöglicht. Wissen ist nicht nur Macht, sondern auch Verantwortung. Und der Wert von Wissen kann gemessen werden am Unwissen, welches diesem Wissen diametral gegenübersteht, genau wie die unerwünschten Nebenwirkungen eines Medikamentes seinem Nutzen gegenübergestellt werden müssen. Wissen beinhaltet also auch Risiken und Gefahren und es erfordert wiederum Wissen, um diese zu erkennen. Es liegt also viel Arbeit vor uns, und wir sollten uns nicht davor scheuen sondern diesen Weg viel selbstbewusster und konsequenter gehen, als jemals zuvor.

Die Vermittlung von Wissen – im Sinne einer internationalen Währung des ultimativen Vertrauens – braucht eine zukunftorientierte Struktur: Bildung kann das Vehikel sein um Bürger*innen aus sogenannten „Abgehängten Ländern“ die Chance zu geben sich selbst zu entfalten und krasse wirtschaftliche Ungleichheit abzubauen: unser Körper würde schliesslich auch nicht einfach ein Bein absterben lassen nur weil es ihm an Muskeln fehlt: Mit unsem Körper als Vorbild kann die Menschheit verstehen, dass es langfristig keine Vorteile mit sich bringt, eines von zwei Beinen unterentwickelt zu lassen. Wissen kann die Ausgewogenheit der menschlichen Entwicklung auf globaler Ebene entscheidend fördern. Um das Verständnis für eine globale Gemeinschaft gerade in der Bildung zu entwickeln, könnte ich mir eine – für einige zumindest – radikale Massnahme vorstellen: Es ist längst bekannt, dass unsere Sprache auch unser Denken prägt. Jede Sprache schafft uns einen anderen Zugang zum Abstrakten. Möglicherweise sollten wir dies nutzen indem wir jeder Wissensdisziplin die Sprache geben, welche sie auch am besten zu erklären vermag und eine multilinguale Bildung anstreben? Der globale Austausch, der dadurch bewerkstelligt würde, wäre zumindest nicht zu verachten…

Ich setze mich dafür ein, dass Wissen und Bildung nicht wie Luxusgüter sondern wie die Luft zum Atmen unseres Geistes behandelt werden.

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